Kolumne: In Freiheit geboren

Das eigene Hochzeitsfest soll bitte einmalig, wunderschön und unvergesslich sein. Zugegeben: ein Herzenswunsch, der durchaus nachvollziehbar ist, denn wer möchte nicht eines Tages auf dieses große Ereignis im Leben zurückblicken und sagen können, dass es ein besonderer und in jeder Hinsicht gelungener Tag gewesen ist? Manchmal sind wir jedoch so versessen darauf, alles perfekt und großartig zu gestalten, dass wir zum Einen vergessen, für wen dieser Tag einmalig, wunderschön und unvergesslich sein soll, und zum Anderen dem Irrsinn erliegen, alles, aber auch wirklich alles, dafür tun zu müssen.

So plündern wir womöglich all unsere Geldvorräte, verbringen Nächte damit, Zeitschriften und Ratgeber zu durchforsten, um auch bloß alle Do’s & Don’ts zu kennen und die geladene Gesellschaft, die meist nicht mal bis zum letzten Mann oder bis zur letzten Frau bekannt ist, bis in alle Ewigkeit tief zu beeindrucken. Dabei soll es doch um uns gehen, oder? Einzig um meinen Partner und mich, um unsere Wünsche, Hoffnungen, Vorlieben und Bedürfnisse. Und am Ende des Tages doch wohl nur um unser „Ja“ zueinander, das schlichter nicht sein könnte – aber auch nicht gewichtiger.

Was also ist passiert, dass wir uns selbst aus den Augen verlieren, brav alle Ratschläge der gutmeinenden Verwandtschaft befolgen und das Gelingen dieses Tages an äußeren statt an inneren Maßstäben bemessen? Wissen wir doch als Kinder noch ganz genau, wie das mit der Freiheit und dem eigenen Willen funktioniert, wenn wir ausschließlich tun, was uns Freude macht und Vergnügen schenkt. Wir bringen die verrücktesten Freunde mit nach Hause, die unseren Eltern sicher nicht immer gefallen, begeistern uns für Dinge, die für andere augenscheinlich nicht besonders hübsch oder auffallend sind, und spüren intuitiv ganz genau, wen oder was wir mögen und nicht mögen.

Heute aber verbiegen wir uns, um zu gefallen. Wir verleugnen uns und unsere Intuition, um funktional und vernünftig zu sein. Womöglich sagen wir am Ende dem Caterer zu, der uns von allen am unsympathischsten und darüber hinaus vielleicht auch nur mittelmäßig talentiert war,  einzig, weil er eben doch der günstigste ist. Wir möchten Tante Elke eigentlich nicht einladen, weil wir sie das letzte Mal bei unserer Geburt gesehen haben und uns kaum an sie erinnern können, aber damit Mama und Tante Elke am Ende nicht traurig sein müssen, tun wir es eben doch. Dabei sollten wir es machen wie Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf, die mit bunten Socken und wilden Zöpfen, auf der Schulter ein Äffchen und als Haustier ein Pferd, die Welt auf ihre fröhliche und unbeschwerte Art besingt: „2 x 3 macht 4, widdewiddewitt und 3 macht 9e! Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt!“ Wir sollten frei und wild sein, ungeachtet dessen, was andere von uns denken könnten. Haben wir nicht schließlich auch „Ja“ gesagt, zu wem wir wollten? Warum also dann nicht auch feiern, wie wir es wollen?! Mit den Gästen, die wir von Herzen gern haben, in dem Outfit, das uns und nicht nur unseren besten Freundinnen gefällt, und mit den Blumen, die wir am liebsten haben, auch wenn das bedeutet, dass die Servietten eventuell eine andere Farbe als unsere Blumendekoration haben werden. Wir sollten Kinder bekommen, weil wir sie wirklich bekommen wollen und nicht, weil sich das nach der Hochzeit eben so gehört oder weil die Eltern oder Schwiegereltern langsam ungeduldig werden.

Die Freiheit, eigene Entscheidungen treffen zu können, ist wohl die größte Gnade, die menschlichem Leben geschenkt ist. Nehmen wir sie an, machen wir etwas daraus. Gestalten wir und bringen uns in unserem eigenen Leben ein, mit unserem Partner und all den Menschen, die wir lieben. Seien wir mutig, seien wir wir selbst und beschenken wir, Pippi Langstrumpf gleich, die Welt mit unserer liebenswerten Andersartigkeit: „Und jeder, der uns mag, kriegt unser 1×1 gelehrt!“ – und der Rest verpasst das Beste.

Vanessa Guerra

(Foto: Stefanie Ehl)